Ein Regio für 6 Fahrräder
Wie bekomme ich 28 Radler täglich an ein 80 Kilometer entferntes Ziel und wieder zurück - aber ohne die Bahn zu benutzen? Der Tourenleiter der Radreise durch Oberbayern hat ein Problem - aber er löst es auf ungewöhnliche Weise.
Es wird eng. Gerade haben wir uns zu viert in den einzigen Waggon mit einem Fahrradabteil gequetscht. Sechs Räder finden hier regulär Platz. Fünf waren aber schon vor uns da. Bleibt nur zu hoffen, dass kein Schaffner kommt, der unsere Fahrt vorzeitig beendet. Es ist Juni 2025. Wir befinden uns auf Vortour in Oberbayern im Zug von Garmisch-Partenkirchen nach Weilheim. Und wir haben ein Problem!
Ein halbes Jahr vorher: Es ist höchste Zeit, den letzten redaktionellen Feinschliff an unserem neuen Tourenheft, das im März erscheinen soll, vorzunehmen. Eine Mehrtagestour nach Weilheim existiert bisher nur als Idee. Aber sie soll, möglichst detailliert, im Heft vorgestellt werden. Erreichbar sind auf der Tour u.a. München, der Tegernsee, Garmisch-Partenkirchen und Füssen. Mit einer Distanz zwischen 60 und 90 Kilometern allerdings nur, wenn wir auf dem Rückweg die Deutsche Bahn mit einplanen. Aber das sollte möglich sein. Die Verbindungen sind kurz getaktet. Alle gewünschten Ziele bestens angebunden.
Und so geht das Tourenheft schließlich in Druck. „An der Loisach entlang fahren wir nach Garmisch und besuchen dort die Partnachklamm. Der Nachmittag ist dann zur freien Verfügung bevor wir um 17:30 alle mit dem RegionalExpress zurück nach Weilheim fahren.“ Ganz ähnlich lesen sich unsere Beschreibungen der Touren nach München, Füssen und zum Tegernsee. Doch erstens kommt es anders…
Ein halbes Jahr später holt uns die Wirklichkeit ein. „Wenn wir noch nicht mal zu viert in der Bahn mit unseren Rädern Platz finden, wie soll das dann mit unseren 28 Schäflein funktionieren?“ resignieren Peter und Georg. Am Bahnhof in Weilheim bekommt Toni einen Tipp von einem freundlichen Bahnhofsmitarbeiter. Er gibt uns die Telefonnummer der obersten Bahnbehörde in Berlin. Die hängen manchmal noch einen Wagen an. Man würde uns dort ganz sicher helfen.
Wer schon mal versucht hat, bei einer Behörde den richtigen Mitarbeiter ans Telefon zu bekommen, der weiß, wieviel Geduld dafür nötig ist. Ich bringe selbige auf, und, nach über einer Stunde mit Warteschleifen und Hin und Her verbinden, habe ich einen kompetenten Mitarbeiter in der Leitung. Ich schildere ihm unser Problem. Und dann geht es ganz schnell: „Wir sind ein Personenbeförderungs-Unternehmen“ erklärt er mir. Fahrräder interessieren ihn nicht. Wir sollen sehen, wie wir zurechtkommen.
Soviel zum Service der Deutschen Bahn. Die ist nicht nur unzuverlässig und unpünktlich. Sondern auch unfreundlich. Und stürzt uns damit in ein großes Dilemma: wie können wir unser Versprechen halten und die angekündigten Ziele mit unseren Mitradlern erreichen? Viele haben schließlich schon bezahlt und erwarten von uns völlig zu Recht, dass wir die angekündigten Touren auch durchführen.
Schließlich kommt mir die rettende Idee: unser Fahrradanhänger ist die Lösung. Aber es ist kompliziert. Anstatt eine komplette Strecke mit dem Rad zu fahren, müssen alle Touren halbiert werden. Am Beispiel Garmisch bedeutet es zum Beispiel: mit Pkw und Anhänger werden die Radler die halbe Strecke bis zum Staffelsee gebracht. Von dort geht es auf zwei Rädern nach Garmisch und zurück. Und schließlich wieder mit Pkw und Anhänger zurück nach Weilheim.
Wir haben sechs große Tagestouren im Angebot. Davon sind drei Ziele so weit entfernt, dass dafür die Bahn vorgesehen war. Und weil die Gruppe auf zwischenzeitlich über 30 Personen angewachsen ist, haben wir uns entschieden, die Gruppe zu halbieren und jeden Tag in zwei Gruppen unterschiedliche Ziele anzusteuern. Damit aber jeder jede Tour wird fahren können, müssen alle Ziele zwei mal angeboten werden.
Unser mitgebrachter ADFC-Fahrradanhänger trägt acht Fahrräder. Ins Zugfahrzeug passen fünf Personen. Finden wir noch drei freiwillige Pkw-Fahrer, könnten wir vierzehn Räder und genau so viele Radler an den Start bringen. Um es abzukürzen: so machen wir es. Pro Tag bieten wir eine der beiden Touren mit Pkw und Anhänger. Nicht alle sind glücklich über den ungeplanten „Bring-Service“. Aber wir sind ein Team. Und so gilt es nicht nur zu nehmen sondern auch zu geben.
Am Ende der Woche gibt es keine zwei Meinungen mehr: ganz egal ob Garmisch oder Tegernsee. Das Radeln durch das traumhafte Voralpenland war jede Mühe wert. Und die Tourenleitung hat auch dazugelernt: beim nächsten Mal planen wir ohne die Deutsche Bahn!
Horst Viebahn
Pressewart
ADFC Langenfeld/Monheim